Brauchen wir Wirtschaftswachstum?

Meinung und Inhalt:

- Wohlstand ist nicht abhängig von einem steigenden Bruttoinlandsprodukt (BIP).
- Es gibt kein GRÜNES Wachstum durch Technik. 
- Verzicht und Suffizienz steht nicht im Widerspruch zu mehr persönlicher Zufriedenheit.
- Eine ressourcenschonende und den Faktor Arbeit entlastende Besteuerung ist anzustreben. Stattdessen sind Kapitalerträge stärker zu belasten.
- Es müssen sich andere resiliente und gemeinwohlorientierte Unternehmensformen als börsennotierte Kapitalgesellschaften etablieren und zur Regel werden (z. B., Stiftungen, Vereine oder Genossenschaften).
- Übermäßiger Konsum ist kein Indikator von Wohlstand. Wohlstand ist anders zu definieren als die Anhäufung von Konsumgütern.
- Der gesellschaftliche Umbau ist ein Prozess, eine Evolution und geschieht nicht Ad-hoc. Wenn die breite Mehrheit nicht folgen kann, scheitert der Umbau.





Wirtschaftswachstum war in den 50/60 Jahren für den breiten Wohlstand wichtig und notwendig. Seit den 80ger Jahren gibt es eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Deshalb ist es wichtig, andere Indikatoren zu finden, den Wohlstand zu messen als allein das Bruttoinlandsprodukt. Auch die Wirtschaftssubjekte müssen sich daran anpassen, dass ein stetiges Wirtschaftswachstum nicht mehr möglich ist. Das kann durch veränderte Unternehmensformen gelingen. Anstatt die Zahl börsennotierter Kapitalgesellschaften zu erhöhen, kann es Sinn machen, andere Unternehmensformen zu etablieren wie Stiftungen, Vereine oder Genossenschaften, die gemeinwohlorientiert und ökologisch verträglich und nachhaltig sind.




Es muss gelingen, den Konsum zu begrenzen, und dabei den breiten Wohlstand zu fördern. Nötig sind dafür weniger aber dafür langlebigere Produkte sowie die Reparaturfähigkeit von Produkten. Ein grünes Wachstum gibt es nicht. Nachhaltiges Wirtschaften und eine Begrenzung des Wachstums gehen einher mit Verzicht und Suffizienz. Verzicht ist solange unproblematisch, wie das subjektive Wohlbefinden nicht berührt wird. Wohlstand ist also nicht eine Frage des steigenden BIPs, sondern eine subjektive Einschätzung der Zufriedenheit mit der eignen Lebenssituation.

Allein die CO2-Bepreisung von Produkten schafft Ungerechtigkeit, weil sich Vermögende freikaufen können und weniger Vermögende ungewollten Verzicht leisten müsse. Stattdessen ist eine Lenkung der Wirtschaft durch eine andere Besteuerung notwendig. Arbeit sollte weniger besteuert werden, stattdessen muss Kapital und Ressourcenverbrauch stärker besteuert werden. Das führt zu veränderten Unternehmensformen und zu einer veränderten Konsumgüterproduktion, die sich an Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit sowie Reparaturfähigkeit orientiert.

Die Wirtschaft, die uns schadet, muss schrumpfen und die, die den Planeten schont und uns nützt, muss wachsen. Eine schrumpfende Weltbevölkerung verbraucht obendrein weniger Ressourcen. Das erfordert gute soziale Sicherungssysteme und Bildung. Das ist ein langfristiger Prozess, der nicht Ad-hoc erzwungen werden kann. Der Umbau bedarf einer langfristigen Strategie und eines politischen Willens, sich auf den Weg zu machen. Die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen ist ein Teil, der in eine komplexe Ordnung eingebettet ist. Auch die von der UN verabschiedeten Sustainable Development Goals https://youtu.be/YQO0nicIrtU sind Bestandteil dieses Prozesses sowie eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft.


Der Inhalt des ARTE-Viedeos in Stichworten

Seit den 80ger Jahren sehen wir eine Auseinanderentwicklung. Die Wirtschaft wächst weiter, aber das Wohlergehen stagniert oder geht sogar zurück (Irmi Seidl).

Wenn wir etwas gegen das Leid der Menschen tun wollen, sollten wir aufhören, soviel Energie, seltene Erden oder andere Ressourcen zu verbrauchen. (Dennis Meadows)

Ab den 50ger Jahren kann man von einer Zeitenwende sprechen. Es gab den Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg, sehr günstiges Erdöl und billige Produktion (fordistische Konsummodell). Seit den 50gern wächst die Wirtschaft unaufhörlich (Irmi Seidl).

Die Energieproduktion pro Kopf war lange Zeit sehr flach und ab den 50ger Jahren ging das nach oben. Ebenso verhält es sich mit dem Düngemitteleinsatz und der Industrialisierung der Landwirtschaft. Wir sehen die gleiche exponentielle Logik wie im Wirtschaftswachstum mit den ökologischen Problemen, die mit dieser wirtschaftsweise verbunden sind (Treibhausgase, Flächenverbrauch, Verlust der Artenvielfalt …). (Nils aus dem Moore)

Die Erde ist ein sensibler Organismus und kann sich generieren, wenn es nicht ausgelöscht wird, aber vieles ist endlich begrenzt (Moderation).

In den Wirtschaftsmodellen gab es keine äußere Grenze, eine Beschränkung. 
Die Weltbank in den 90ger Jahren wollte nicht deutlich machen, dass das Wirtschaftssystem nur ein Teilsystem ist, das eingebettet sein muss in das Große Ganze nämlich in das Ökosystem unseres Planeten. (Nils aus dem Moore).

Das Bruttoinlandsprodukt wird mit Wohlergehen und Wohlstand gleichgesetzt, das ist ein Problem. Das war in den 50ger 60ger Jahren begründet, als es den Menschen besser ging, als das Bruttoinlandsprodukt gewachsen ist. Seit den 80ger Jahren sehen wir eine Auseinanderentwicklung. Die Wirtschaft wächst weiter, aber das Wohlergehen stagniert oder geht zurück. (Irmi Seidl).

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sagt über die Verteilung der Einkommen überhaupt nichts aus. Egal ob das viele Reiche sind und viele arme oder ob der Reichtum gleicher verteilt ist, kann man anhand des BIP nicht feststellen. Das BIP kann als Wohlstandsmaß in die Irre führen. (Nils aus dem Moore)

Die Zufriedenheit der Menschen steigt mit dem Einkommen jedoch nicht unendlich. Die Zufriedenheitsgrenze in den USA liegt bei 75.000,00 Euro, in Deutschland bei 81.000,00 Euro, in Lateinamerika bei 28.000,00 Euro. Anhand des BIP lässt sich nicht feststellen, wie gut es einer Wirtschaft oder einem Menschen geht. (Moderation)

Naturverbrauch wird im Bruttoinlandsprodukt nicht gemessen. (Nils aus dem Moore)

Der Wert der Ökosystem-Dienstleistungen wird im BIP nicht ausgedrückt. Auch wenn diese Leistungen geschädigt werden, sieht man das nicht im BIP. (Irmi Seidl).

Auch schädigende Einflüsse wie Umweltkatastrophen oder Krankheiten können das BIP steigern. (Moderation).

Das BIP macht nur einen Teil der Wertschöpfung der Lebensgrundlagen der Menschen aus. (Irmi Seidl)
Das BIP misst nicht nur unvollständig die Wirtschaftsleistung eines Landes, sondern verschleiert die Risiken und gefährdet somit die Lebensgrundlagen. (Moderation)

Der Club of Rome beauftragte in den 70ger Jahren Dennis Meadows ein Modell zu entwickeln, das hilft, die Ursachen und Folgen des Wachstums zu verstehen über einen Zeitraum von 200 Jahren. Es gab zwei Optionen. Das Wachstum abzubremsen oder noch 50 Jahre zu genießen und dann zum Rückzug gezwungen zu sein. (Dennis Meadows)

Ab den 60ger Jahren werden planetare Grenzen gerissen. Bis heute wurden sechs Grenzen überschritten. (Moderation)

GRÜNES Wachstum gibt es nicht. Mit dem Wirtschaftswachstum steigt auch der Ressourcenverbrauch. Es gibt keine Entkoppelung, die angesichts der ökologischen Probleme notwendig sind. (Irmi Seidl)
Auch GRÜNE Technologien brauchen Ressourcen in gigantischem Ausmaß. (Miriam Lang).
Wir sollten alles daran setzen, die Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch hinzubekommen und gleichzeitig Maßnahmen ergreifen, die unsere Gesellschaft robuster und resilienter machen für ein Szenario, in dem wir mit einer schrumpfenden Volkswirtschaft umgehen müssen. (Nils aus dem Moore)

Unseren Ressourcenverbrauch zu senken ist bisher nicht gelungen. Und die Prognosen sehen schlecht aus. Eine relative Entkopplung ist gelungen. Der Ressourcenverbrauch steigt weniger als bisher, aber er steigt. GRÜNES Wachsen klappt bisher nicht (Moderation).

GÜNES Wachstum sind Hirngespinste. Einige Umweltschützer befürworten GRÜNES Wachstum. Sie sind fehlgeleitet. Viele, die sich GRÜNES Wachstum wünschen, sind mehr an Wachstum interessiert als an GRÜN. Natürlich können wir ohne Wachstum überleben. Wir leben seit 300.000 Jahren ohne Wachstum. (Dennis Meadows)

Die Steuereinnahmen basieren zu 60 % Steuern auf Arbeit, 13 % Steuern auf Kapital und 20 % durch Mehrwertsteuer und 5 % durch Besteuerung von Umwelt. Das Steuersystem muss reformiert werden. Das bedeutet, dass Arbeit weniger besteuert wird, stattdessen Kapital höher besteuert und Umweltressourcen stärker besteuert werden. Auf diese Weise hätte der Staat weniger Interesse daran, für neue Arbeitsplätze ständig Wachstum zu generieren. Außerdem könnte die weniger werdende Arbeit auf mehr Schultern verteilt werden. Viele Menschen wünschen sich nicht mehr Geld, sondern mehr Freizeit. Eine wachstumsunabhängige Wirtschaft würde bedeuten, dass Unternehmen weniger oder gar nicht wachstumsabhängig sind. Das ist möglich, wenn Unternehmen andere Formen annehmen statt börsennotierte Kapitalgesellschaften eher Stiftungsformen oder Genossenschaftsformen. Außerdem könnten Betriebe gefördert werden, die dem Gemeinwohl dienen. Unternehmen sollten nach einer größeren Zahl von Indikatoren bemessen werden als nur nach dem Gewinn, beispielsweise Umweltverträglichkeit oder der Umgang mit den Mitarbeitern. (Irmi Seidl/Moderatio)

Eine Reparaturpflicht ist hilfreich. Die Europäische Union plant eine Kreislaufwirtschaft mit langlebigen Produkten. Laut Weltklimarat verbrauchen Volkswirtschaften, die Wert auf Gerechtigkeit und öffentliche Dienstleistungen legen, weniger Energie als solche, die auf starkes Wirtschaftswachstum setzen (Moderation)

Ein Instrument, das Wirtschaftswachstum zu begrenzen, ist die CO2-Bepreisung. Dadurch bekommen alle Produkte, die darauf aufbauen, einen entsprechend höheren Preis. Welche Produkte bevorzugt werden oder auf welche verzichtet wird, ist eine individuelle Entscheidung. (Nils aus dem Moore)

Eine Lösung über Preise schafft jedoch immer neue Ungerechtigkeiten, weil sich reiche Menschen freikaufen können. Die reichsten 10 % der Weltbevölkerung sind für die Hälfte des Kohlendioxids verantwortlich. Für diese existenzielle Krise müssen wir kollektiv Verantwortung übernehmen. Es ist eine Diskussion erforderlich, wie wir es schaffen, innerhalb der Grenzen des Planeten zu leben. In Frankreich hat ein Bürgerkovent dazu beigetragen, dass kurze Inlandsflüge verboten sind. Auch die Autowerbung wird neuen Regeln unterworfen. Weniger Schnäppchen jagen, weniger verbrauchen, weniger produzieren. Wenn das Wachstum reduziert wird, kann das die Klimakrise bremsen und zu mehr Wohlstand führen, sagt der Weltklimarat (Miriam Lang/Moderation)

Durch die derzeitigen Maßnahmen wird das Problem der Armut nicht gelöst. Viele Länder im globalen Süden sind vielfach Zulieferer. (Dennis Meadows/Moderation)

Ein Aspekt ist es, die Agrarpolitik auf ökologische Landwirtschaft umzustellen, Produkte aus Heilpflanzen, lokale und saubere Energiegewinnung und Öko-, Natur- oder Kulturtourismus, der auch von indigenen Gemeinden selbst betrieben werden kann. Der Tourismus könnte einen größeren Teil der Wirtschaftsproduktion in vielen Ländern einnehmen (Miriam Lang). Alles was geht, wird in erster Linie lokal produziert, dann wird die nationale Wirtschaft gefördert, als der nächste Schritt ist die regionale Wirtschaft und nur das, was auf der regionalen Ebene nicht produziert werden kann, würde global bezogen. (Miriam Lang).

Wohlstand muss nicht das immer steigende BIP sein. Buthan misst ein „Nationalglück“ mit den Kriterien: Gesundheit, Bildung, Lebensstandard, psychisches Wohlbefinden, Zeitnutzung, kulturelle Diversität, gutes Regieren, Gemeinschaftswerte und ökologische Diversität. (Moderation).

Häufig kommt es auch darauf an, was als Wohlstand definiert wird. Beispielsweise wurde in einem ecuadorianischen Dorf ein konventioneller Zensus durchgeführt, bei dem fast 90% der Haushalte als arm und interventionsbedürftig eingestuft wurden. Zwei Jahre später erfolgte eine alternative subjektive Wohlstandsmessung, die sich an den Kriterien von Buthan orientierte. Dabei wurde festgestellt, dass dreiviertel der Haushalte mit ihrer Lebenssituation sehr zufrieden waren. Auch Island, Schottland, Finnland, Neuseeland und Frankreich suchen nach neuen Wohlstandsmaßstäben, die sich nicht aus dem BIP ableiten. (Miriam Lang/Moderation)

In Deutschland hat Habeck im neuen Wirtschaftsbericht weitere Indikatoren jenseits des BIP aufnehmen und diskutieren lassen, wie beispielsweise den Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen, den Flächenverbrauch und die Treibhausgasemissionen. Aber auch den Breitbandausbau. (Nils aus dem Moore).

Eine Rücknahme des Wachstums würde eher helfen, als auf technologischen Wandel zu setzen. Es ist nicht realistisch, dass der Norden sein Wachstum verlangsamen wird, um den Ländern des globalen Südens eine Chance zu geben. Sicher schein, dass am Ende des Jahrhunderts die Weltbevölkerung und der Verbrauch von Material und Energie sehr viel niedriger sein wird als heute. Wenn wir das Wachstum nicht mit eignen Maßnahmen verlangsamen, dann wird die Natur das für uns erledigen. (Dennis Meadows/Moderation).

Es muss so sein, dass die Wirtschaftsbereiche, die uns schaden, schrumpfen und die, die förderlich sind, für Mensch und Umwelt wachsen können. (Miriam Lang)

Quelle: 


Moderation Nora Marie Tschirner, Dokumentation von: Julia Fritzsche









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