Energiearmut und Stromsperren

Energiearmut und Stromsperren sind existenzbedrohend.
Es gibt viele Betroffene.
Stromsperren dürfen nicht willkürlich festgelegt werden.
Bei drohender Stromsperre müssen Betroffene dringend Hilfe suchen.
Stromkosten sollten direkt vom ALG II an den Stromanbieter gezahlt werden.
Im Vorfeld einer Stromsperre muss alles unternommen werden sie zu vermeiden.
Gesundheitsgefährdungen durch Stromsperren müssen vermieden werden, deshalb...
...wurde eine Stromsperre verhängt, müssen Nachtstunden und Wintermonate davon ausgenommen sein. 


Die AG Soziales der GRÜNEN im Kreisverband Essen lud zum Thema Energiearmut ein. Der Abend begann mit dem Bericht einer Betroffenen. Sandra Schumacher Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Essener Rat der Stadt Essen und sozialpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Rat sprach davon, dass in Essen rund 100.000 Menschen von Energiearmut betroffen sind. Eine beachtliche Zahl. Mathias Döring von der Diakonie stellte den Energiesparservice der „Neuen Arbeit“ der Diakonie Essen vor. Hartwig Ziegler von E.ON erläuterte das Problem aus Sicht eines Energieversorgers und Jule Wenzel GRÜNE Abgeordnete aus dem Landtag NRW kam aus Duisburg nach Essen, um die Sicht der Politik aus GRÜNER Perspektive zu erläutern. Auch die Verbraucherzentrale Essen saß im Publikum.

Energiearmut bedeutet, dass der betroffenen Person eine Stromabschaltung droht. Stromabschaltung heißt, dass der Energieversorger den Haushalt aufgrund von Zahlungsrückständen von der Stromversorgung abklemmt. Die Stromabschaltung ist zwar an Bedingungen geknüpft, aber leider immer wieder Realität.

Folgende Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine Stromabschaltung durchgeführt werden kann:
- Der Zahlungsverzug muss mindestens zwei Abschlagszahlungen betragen.
- Ein Zahlungsrückstand von 100,00 Euro oder mehr besteht beim Energieversorger.
- Eine Sperre wurde vier Wochen vorher angedroht.
- Der Vollzug der Sperre wird 8 Werktage vorher in Briefform angekündigt.
- Die Sperre muss verhältnismäßig sein. Leben minderjährige (kleine) Kinder im Haushalt oder eine pflegebedürftige Person darf der Strom nicht abgeschaltet werden.
- Eine Ratenzahlungsvereinbarung wurde nicht angenommen.

Erst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, darf der Strom abgestellt werden.

Betroffene Personen können sich vor einer Stromabschaltung schützen, indem sie sich Hilfe beispielsweise bei der Verbraucherzentrale suchen. Auch die Stadt Essen hilft unter bestimmten Umständen bei einer unmittelbar bevorstehenden Stromabschaltung. Die Bedingungen, unter denen die Stadt Essen hilft, sind:
- Es besteht keine Möglichkeit der Selbsthilfe.
- Der laufende Abschlag wurde gezahlt.
- Die zukünftigen Abschlagszahlungen sind sichergestellt.
Weiter Informationen unter: Stadt Essen 

Ich stimme mit der Forderung aus der Politik überein, dass die Stromkosten beim Bezug von Arbeitslosengeld II ähnlich wie bei der Miete, vom Jobcenter oder der Agentur für Arbeit direkt an das Energieunternehmen gezahlt werden sollte. Bisher sind die Empfänger von Arbeitslosengeld II selbst in der Pflicht für die Begleichung der Stromrechnung zu sorgen. Leider kommt es immer wieder vor, dass von den betroffenen Personen die Prioritäten falsch gesetzt und andere Schulden zuerst gezahlt werden. Manchmal werden die Informationen oder Mahnungen des Energieversorgers ignoriert oder nicht verstanden. Auch psychische Beeinträchtigungen können zu einer Situation führen, in denen eine Stromabschaltung droht. Die Gründe wieso es so weit kommt sind vielfältig.

Zwar wird bei einer direkten Überweisung der Stromkosten durch das Jobcenter bzw. die Agentur für Arbeit die Stromsperre in vielen Fällen vermieden, jedoch kommt dieses Verfahren derzeit wegen fehlender Regelung nicht zur Anwendung. Auch wenn eine entsprechende Regelung getroffen würde, wird es immer wieder Fälle geben, die davon nicht erfasst werden. 

Ich fordere deshalb darüber hinaus, dass Stromsperren in den Nachtstunden und bei kalten Außentemperaturen (ggfs. 10 Grad und weniger) aufgrund einer Härtefallregelung ausgesetzt werden. Meiner Auffassung nach ist das technisch umsetzbar. Beispielsweise durch den Einbau einer Zeitschaltuhr und einer generellen Aufhebung der Sperre in den Monaten Dezember bis Februar, ebenfalls durch die Zeitschaltuhr gesteuert. 

Hierfür besteht meiner Auffassung nach bereits eine Rechtsgrundlage im § 19 Absatz 2 der Stromgrundversorgungsverordnung – StromGVV. Dort heißt es: „Der Grundversorger hat den Kunden mit der Androhung der Unterbrechung über die Möglichkeit zu informieren, Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit der Unterbrechung insbesondere eine Gefahr für Leib und Leben, in Textform vorzutragen.

Ich meine: Sehr häufig ist die Heizung von der Stromversorgung abhängig. Meiner Auffassung nach besteht eine Gefahr für die Gesundheit, wenn die Temperatur in der Wohnung einen Tiefststand unterschreitet. Fällt die Heizung mangels Strom aus, wird es bei widrigen Witterungsbedingungen kalt in der Wohnung. Bei einer Außentemperatur von 10 Grad und weniger ist das meiner Auffassung nach ohne weiteren Nachweis gegeben. Bei niedrigen Temperaturen in der Wohnung wird das Immunsystem geschwächt. Ein ausreichender Grund die Gesundheit als gefährdet anzusehen. Ferner sehe ich eine erhöhte Unfallgefahr in der Wohnung, wenn bei Dunkelheit kein Licht angemacht werden kann. Die Gefahr über herumliegende Gegenstände (Schuhe, Taschen etc…) zu stolpern, zu fallen und sich zu verletzen ist dann besonders hoch. Auch dies ist eine höhere Unfallgefahr und somit eine Gefahr für die Gesundheit.

Ich fordere: Sind diese Umstände eingetreten und eine Stromsperre wurde verhängt, ist diese während der Nachtzeit und in den Wintermonaten auszusetzen. Da jeder Stromkunde mit seiner Adresse beim Stromversorger gemeldet ist, kann der zuständige Sozialleistungsträger ermittelt werden und von diesem die Kostenübernahme durch den Stromversorger angefordert werden. Die entstandenen Kosten sind dann von der Sozialleistung, sofern sie bezogen wird, in Raten abzuziehen. Sollten keine Sozialleistungen bezogen werden oder die Agentur für Arbeit sich weigern die Kosten zu übernehmen, übernimmt der zuständige Sozialhilfeträger die Kosten. Dieser hat gegenüber dem Stromschuldner eine entsprechende Forderung, die gegebenenfalls auch zwangsweise eingetrieben werden kann.

Meiner Ansicht nach sollte, sofern die Stromsperre droht und der Schuldner auf die Androhung der Sperre mit 8tägiger Vorlaufzeit nicht reagiert, die untere Gesundheitsbehörde von der drohenden Stromsperre gegebenenfalls per Datensatz zu informieren werden. Diese wiederum setzt sich mit der betroffenen Person in Verbindung (aufsuchende Hilfe) oder ordnet unter Berufung auf § 19 Absatz 2 StromGVV die Aussetzung der Stromsperre an und setzt damit das Verfahren der Kostenübernahme durch den Sozialleistungsträger in Gang. Die Befugnis für die Anordnung beziehungsweise Beratung der betroffenen Person könnte in einem neu zu schaffenden § 15 Absatz 3 Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ÖGDG NRW) verankert werden unter Berufung auf § 14 ÖGDG NRW … „Bei Bedarf ist auch aufsuchende Beratung und Hilfe zu leisten.“

Dier Ergänzung zu § 15 Absatz 3 ÖGDG könnte in etwa folgenden Inhalt haben:

„Bei konkreter Androhung oder bei Eintritt einer Stromsperre und eine damit verbundenen Gesundheitsgefährdung wird die untere Gesundheitsbehörde vom Energieversorger hiervon unterrichtet und nimmt unmittelbar mit der betroffenen Person Kontakt auf und wirkt auf diese ein, eine Aussetzung der Stromsperre zu erwirken. Ist die betroffene Person erkennbar nicht in der Lage die eigenen Interessen wahrzunehmen, kann die untere Gesundheitsbehörde in deren Namen handeln. Eine Gesundheitsgefährdung kann in den Nachtstunden sowie in den Wintermonaten vorausgesetzt werden.“
(Entsprechende fachliche Überarbeitung und Einordnung ist ggfs. noch vorzunehmen)

Somit können bei einer unmittelbar bevorstehenden oder erfolgten Stromsperre besondere Härten insbesondere gesundheitliche Beeinträchtigungen vermieden werden. Unbeschadet dessen müssen natürlich im Vorfeld alle möglichen Anstrengungen unternommen werden, dass es erst gar nicht zu einer solchen Stromsperre kommt.

HINWEIS: Dieser Text ist eine Meinungsäußerung und kein juristischer Fachvortrag. Zitierte Gesetzestexte sind als Meinungsäußerung zu verstehen und nicht als Kommentierung geltenden Rechts. Der Autor ist kein Jurist und gibt deshalb lediglich eine Einschätzung beziehungsweise seine persönliche Meinung wieder.

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