SRF – Philosophie – wie reich darf man sein? Karin Stüber, Christian Neuhäuser, Markus Huppenbauer

 Inhalt und Meinung

- Reichtum ist unverdient und verdient zugleich.
- Reichtum verpflichtet.
- Das Problem ist eine Wirtschaft, die wachsen muss, um zu funktionieren.
- Vermögen darf keinen oder nur wenig Einfluss auf die Politik haben.
- Philanthropie kann staatliche, demokratisch basierte Förderung nicht ersetzen.
- Herausragende Reichtümer sind kein Problem, wenn der Vermögens- und Einkommensunterschied bei der großen Mehrheit nicht so groß ist.




Wie reich darf man sein? An der Diskussion nehmen teil: Der Ethiker und Theologe Markus Huppenbauer (Universität Zürich) verstorben 2020, Christian Neuhäuser (Professor für Philosophie an der TU Dortmund) und Karin Stüber, (Professorin für alte Sprachen und Autohändlerin). Moderiert wird die Diskussion von Barbara Bleisch eine promovierte Schweizer Philosophin.

Reichtum, ein großes Vermögen ist immer verdient und unverdient zugleich. Niemand schafft es allein durch Fleiß reich zu werden. Es gibt Menschen, die sehr viel leisten und dennoch nicht reich werden. Reichtum kann geerbt werden, aber auch durch unternehmerisches Geschick oder besondere Fähigkeiten erworben werden.

Deshalb ist großer Reichtum immer eine Plicht gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Abhängigen. Die 30 Reichsten Menschen besitzen so viel wie die Hälfte der Weltbevölkerung. Vermögen steht nicht allein für den persönlichen Konsum zur Verfügung. Es ist zwar kein Problem als reicher Mensch zu konsumieren, jedoch schafft das System, das hinter dem Reichtum steht, Probleme. Die geringste Erwartung an Vermögende ist, dass sie sich ihrer Verpflichtung bewusst sind, Steuern zu zahlen und dies öffentlich bekennen. Dabei variiert die Schmerzgrenze für den Spitzensteuersatz zwischen 50 % und 70 %.

Das gesellschaftliche Problem, das hinter Reichtum steht, ist der Drang, immer mehr haben zu wollen. Dabei ist nicht das individuelle Streben nach einem auskömmlichen und guten Leben in Wohlstand gemeint, sondern ein Wirtschaftssystem, das auf stetiges Wachstum ausgelegt ist. Vor allem jedoch die Gier ist ein moralisches Problem und die wird durch unser Wirtschaftssystem gefördert. Besonders krass sind die Unterschiede zwischen den Bewohnern eines Slums in Südafrika und den Villen der Reichen dort, die ihren Reichtum durch hohe Mauern schützen müssen. Teure Güter zu besitzen ist nicht das Problem, sondern sie für andere zur Schau zu stellen. Wir müssen ein Wirtschaftssystem schaffen, das nicht nur auf stetiges Wachstum ausgerichtet ist, sondern das strukturell Zufriedenheit und Bescheidenheit belohnt.

Ein Problem ist der Einfluss des Vermögens auf die Politik. Ein demokratisch republikanischer Staat muss den Einfluss von vermögenden Personen auf die Politik begrenzen. Das Vermögen darf die politische Ausrichtung nicht beeinflussen. Ein gut funktionierender Staat braucht Checks und Balance sowie ein hohes Maß an Transparenz, um den Einfluss des Geldes auf demokratische Entscheidungen zu begrenzen. Viel zu häufig wird schon bei der politischen Willensbildung berücksichtigt, wie die Entscheidung bei potenziellen Geldgebern wirkt. Das ist für den gesellschaftlichen Entscheidungsprozess nicht gut. Gerade in den USA sind Spitzenpolitiker auf Geldgeber angewiesen und können deshalb nicht alle politischen Ideen umsetzen. Kaum ein führender Politiker ist in Amerika nicht reich und ist deshalb in permanenter Gefahr, den Bezug zum Durchschnittswähler und zu gesellschaftlich armen Milieus zu verlieren.

Philantropie fördert zwar gesellschaftliche Felder wie Sport, Kunst oder Musik etc..., trägt aber das Problem in sich, dass der Geldgeber über den Zweck seiner Zuwendung entscheidet und keine demokratisch gewählte Institution. Mäzene, die im öffentlichen Leben stehen, müssen sich deshalb gefallen lassen, dass hinterfragt wird, wer mit ihrem Geld gefördert wird und wie die Förderung geschieht. Je nach Höhe der Förderung und nach der fördernden Institution oder Person muss eine Einmischung in die Förderung erlaubt oder sogar geboten sein. Philanthropie kann nicht die staatliche Verpflichtung zur Förderung gesellschaftlich wichtiger Anliegen ersetzen.

Wir vergleichen unser Eigentum nicht mit dem der Reichsten der Gesellschaft, aber mit denjenigen, die nach uns in der Vermögenshierarchie kommen. Deshalb ist es nicht gut für eine Gesellschaft und für den sozialen Zusammenhalt, wenn die Unterschiede zu denen, die mit uns leben, zu groß werden und die Einkommen, aber auch Vermögen zu weit auseinanderfallen. Es wäre aber zu kurz gedacht, den Vermögenden einfach etwas wegzunehmen, um es den Armen zu geben. Eine gute und progressive Besteuerung sowie eine angemessene Erbschaftssteuer ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft sowie für die Verpflichtung des Vermögenden gegenüber der Allgemeinheit unerlässlich. Vor allem brauchen wir ein Wirtschaftssystem, dass nicht allein auf Wachstum setzt, sondern Suffizienz belohnt. Wenn die Einkommens- und Vermögensunterschiede nicht so groß sind und der politische Einfluss des Geldes gering, dann sind die Steinreichen kein Problem.

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