SRF Philosophie Was bedeutet Freiheit? Philip Pettit

Zusammenfassung und Meinung

Freiheit nach Philip Pettit ist es nicht beherrscht zu werden durch adere. Niemand ist frei, wenn er bzw. sie von der Gnade eines Beherrschenden abhängig ist. Beispielsweise von der Willkür eines Arbeitgebers, wie es in den USA oft üblich ist. Wirtschaftliche und existenzielle Abhängigkeit führt zur Unfreiheit. Freiheit kann nur dann gelingen, wenn wir mit anderen auf einer Stufe stehen und unsere Meinung sagen können, ohne Repressalien oder Nachteile zu befürchten.

Freiheit ist jedoch nicht wirklich Freiheit, wenn wir alleine beispielsweise in der Natur ohne andere Menschen leben, sondern wenn wir in einer Gruppe leben, die uns die Freiheit garantiert und zugesteht. Demokratische Entscheidungen, die uns nicht gefallen werden getroffen und müssen akzeptiert werden, jedoch dürfen Mehrheitsentscheidungen nicht aufgrund von Herrschaftsdominanz zustande kommen, also Abhängigkeiten. Eine gewählte Regierung muss auch noch nach der Wahl kontrolliert werden können.

Die Freiheit wird nur durch die Freiheit anderer, also der Gruppe, begrenzt. Erst im Zusammenleben in der Gruppe können wir Freiheit erkennen. Sprache und die Auseinandersetzung machen uns zu reflektierten Menschen, zu denkenden Menschen. Das ist einerseits befreiend, aber auch eine Verantwortung, unser Leben selbst zu gestalten und nicht von anderen beherrscht zu werden.

Meinung des Blogs. Ein sanktionsfreies Existenzminimum ist für diese Freiheit unerlässlich.



Das Wichtigste aus dem Gespräch im Einzelnen: 

Ist nur derjenige frei, der allein in der Natur lebt? Seine, Pettits Überlegungen der Freiheit begründen auf der Annahme, dass wir zutiefst soziale Wesen sind. Freiheit muss einhergehen mit Gemeinschaft oder es gibt sie nicht, weil sie sonst keinen Nutzen hat. Man ist nur dann frei, wenn man mit anderen auf derselben Stufe interagieren kann.

Für die Idee der Freiheit wird von Pettit das Theaterstück „Nora und das Puppenheim“ von Henrick Ibsen (1879) benutzt. Nora lebt in einem gut behüteten Haushalt und genießt einen gewissen Luxus und Wohlstand. Aber sie ist nicht frei, weil ihr Ehemann das letzte Wort hat, obwohl er ihr weitestgehende Freiheit zugesteht. Freiheit bedeutet aber nicht unter dem Willen eines anderen zu leben. Nora genießt für eine Frau im 19. Jahrhundert die Nichteinmischung in größtmöglichem Ausmaß, sogar die Freiheit, in die Kirche ihrer Wahl zu gehen. Ihr Ehemann lässt ihr freie Hand. Ihre fehlt es an nichts und sie kann ihre eigenen Entscheidungen treffen, aber durch die Gesetze kann ihr Ehemann ihre Freiheit jederzeit einschränken. Der Ehemann ist somit ihr Herrscher, obwohl ein gütiger Herrscher.

Auch chinesische Studenten betrachten Nora nicht als frei. Selbst wenn Nora größtmögliche Freiheit genießt, bleibt sie einem Herrscher unterworfen. Sie untersteht der Gewalt eines Herrschers und seinem Willen. Ändert dieser seinen Willen, wird es schwierig für sie.

In der Idealvorstellung müssen sich alle Menschen begegnen können, ohne sich zu fürchten und ohne das Gegenüber zu bewundern oder dankbar sein zu müssen. Also gar nicht beherrscht zu sein. Ist es nicht attraktiv, beherrscht zu sein? Freiheit muss man auch aushalten können. Es ist bequem, einen Herrn eine Herrin zu akzeptieren und dafür mehr Wohlstand genießen zu können. Wenn jemand es mag, von anderen beherrscht zu werden, dann ist das eine Denaturierung der eigenen Person. Sie ist nicht mehr sie selbst. Das Beste am Menschen ist nicht dominiert zu sein.

In unserer Natur eingebaut ist die Freiheit als ein von allen angestrebtes Ziel. Wir sind dann frei, wenn wir im Umgang mit anderen Menschen auf der gleichen Stufe stehen und uns frei fühlen in unseren Äußerungen. Wenn wir keine Angst davor haben müssen, was andere tun könnten, wenn wir das Falsche sagen und wenn wir nicht in ihrem Sinne Handeln. Wenn wir darauf vertrauen, dass sie unsere Entscheidungen akzeptieren. Sie haben keine Macht über uns und gleichzeitig leben wir frei von dem Druck, uns einschmeicheln oder uns anbiedern zu müssen. Wir wollen alle das Ideal, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen und uns nicht einschmeicheln müssen. Man ist nur frei, wenn man nach eigenem Ermessen handeln kann, ungeachtet jedes übergeordneten Willens. Frei zu sein heißt unabhängig zu sein von der Willkür anderer.

Daraus folgt die Philosophie des Republikanismus. Es ist allerdings nicht die amerikanische republikanische Partei gemeint. Es ist die Idee der Gewaltentrennung und kein System mit einem Herrscher bzw. Monarchen. Folgerichtig ist die Idee der Volksherrschaft, also Demokratie. Es stell sich die Frage, welche Entscheidungsfreiheit soll man haben, wie umfassen und breit muss der Schutz durch Gesetze sein. Wenn ein ausreichendes Maß von Auswahlmöglichkeiten garantiert ist und man sich ohne Furcht oder Ehrerbietung in die Augen schauen kann, dann ist es gut. Auch müssen genügend Kontrollmechanismen über den Gesetzgeber bestehen, damit wir uns nicht als beherrscht empfinden. 

Es gibt immer Entscheidungen, die man nicht mag oder die man als ungerecht empfindet. Wenn man teilhat an der Kontrolle der Entscheider, dann ist es nur Pech, dieses Mal in der Minderheit zu sein. Das Ideal eines republikanischen Staates ist eine demokratische Rechtsform, in der wir unsere Regierung wählen, aber einmal eingesetzt auch wieder infrage stellen können, beispielsweise durch Gerichte oder weiteren unabhängigen Institutionen, die von Bürgern angerufen werden können.

Freiheit wird oft beschränkt. Ein Beispiel gegen eine Regierung aufzubegehren zu dürfen, sieht Pettit darin, wenn Menschen gegen Arbeitsgesetze protestieren, die Arbeitgeber zu den Herren ihrer Angestellten machen, weil sie Arbeitnehmer ohne Grund kündigen können, wie es in den USA möglich ist. Er sieht aber auch, dass viele populistische Bewegungen eine falsche Auffassung davon haben, wie sie Regierungen kontrollieren können. Es sieht einen schweren Fehler darin, dass Regierungen nur über Wahlen kontrolliert werden können. Demokratie beruht auf mindestens 3 Säulen (Legislative, Exekutive und Judikative). Die Wahl alleine reicht nicht. Unter anderem sind Demonstrationen wichtig. Außerdem muss es Institutionen geben, die kontrollieren, dass sich gewählte Vertreter richtig verhalten. Dazu gehört beispielsweise auch die Pressefreiheit.

Seinen republikanischen Prinzipien folgend würde das (auf die USA bezogen) bedeuten, dass Angestellte nicht nach Gutdünken entlassen werden können. Außerdem sieht er Konkurrenzklauseln problematisch, nämlich nach eigener Kündigung keine Arbeit in derselben Branche annehmen zu dürfen. Außerdem soll die Möglichkeit einer Sammelklage bestehen, damit Arbeitnehmer gemeinsam ihren Arbeitgeber verklagen können. Damit soll Furcht und Ehrerbietung gegenüber dem Arbeitgeber vermieden werden. Der Arbeitgeber hat in den USA die Funktion eines Herrschers.

Der Freiheitsansatz von Pettit unterscheidet sich vom klassischen Liberalismus dahingehend, dass er nicht vom Individuum ausgeht, sondern davon, dass Menschen in Gruppen leben. Der Austausch zwischen den Menschen hat erst das Denken ermöglicht. Das Individuum ist schwach, wenn es nicht an die Gruppe denkt. Wichtig ist das Leben, in das wir geboren sind, unsere Kultur. Wir erhalten sehr viel von unserer Kultur, in die wir geboren wurden. Durch Sprache und Austausch werden Fähigkeiten entwickelt, die sonst nicht vorhanden wären. Beispielsweise die Fähigkeit, Dinge abzuwägen. Über das Erlernen der Sprache beginnt ein Erkenntnisprozess. Darüber lernen wir das Denken.

Die Sprache befähigt uns abzuwägen. Wir nehmen uns einander in die Pflicht, weil wir für unser Handeln verantwortlich sind. Unsere Natur wird durch die Sprache geformt. Über die Gemeinschaft werden wir zu Menschen. Was wir sind, ist das Resultat aus den Beziehungen zu anderen Menschen. Wir internalisieren soziale Fähigkeiten und werden Menschen. In dem Reifeprozess erkennen wir über die Beziehung zu anderen, dass wir unabhängig sind. Alle Menschen um uns herum müssen die gleichen Freiheiten und den gleichen Schutz genießen, um uns ohne Ehrerbietung in die Augen schauen zu können. Das geschieht in einem Rechtsrahmen auch der Regierung gegenüber ohne Ehrerbietung gegenüberzutreten. Auch in der Liebesbeziehung müssen wir frei uns entscheiden zu können und nicht uns entscheiden zu müssen, wie es die Frauen im 18. Jahrhundert mussten.

Den einzigen Herrscher, den wir akzeptieren sollten, ist die Selbstbeherrschung. Die Idee der Nichtbeherrschung wird in der Gesellschaft dadurch umgesetzt, dass die Rechte anderer eingeschränkt werden. Diese gesellschaftliche Einschränkung wird allgemein akzeptiert. Nur dank dieser negativen Bedingung können wir alle freie Bürger sein. Es ist sehr wichtig, nicht nur die soziale Freiheit zu genießen, sondern auch eigene Prioritäten festzulegen und ihnen nachzuleben.


Beliebte Posts aus diesem Blog

Ein Blick von oben in die Stadt… Feinde, Gegner oder Hemmnis einer freien und offenen Gesellschaft

Energiearmut und Stromsperren

Was kann aus dem Soli werden?

Stärkung der Sozialversicherung was geht (ist sinnvoll) und was nicht (ist nicht sinnvoll)

Zufall ist vielleicht das Pseudonym Gottes ...

Against All Gods

Religionsfreiheit - Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Gesetzliche Rentenversicherung stärken - die Umlagefinanzierung ist eine Stärke

Politologe Andreas Püttmann über Konservative, Rechte, CDU & AfD