Die Zukunft der ökonomischen Entwicklung - Bericht über eine IG Metall-Veranstaltung mit Prof. Dr. Sebastian Dullien
Durch die aktuelle Inflation werden Menschen in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Reallohnverluste treffen insbesondere die niedrigen Einkommen sehr stark. Aktuelle Tarifrunden konnten diesen Verlust nicht ausgleichen und auch die staatlichen Hilfen sind zwar willkommen, reichen aber nicht aus.
### Lohnerhöhungen sind hinter den steigenden Preisen zurückgeblieben, was zu einem realen Kaufkraftverlust und Reallohnsenkung führte. Diese Situation ist insbesondere für gering verdienende Haushalte existenzbedrohend, weil diese schon vor der Inflation kaum Rücklagen bilden konnten.
### Die Lebensmittelpreise sind sogar auf über 8,7 % gestiegen. Insbesondere gering verdienende Haushalte wurden durch die Inflation stark belastet. Dort stieg die Quote auf bis zu 10 %
### Ein weiterhin hohes Risiko sind die Zinserhöhungen der Zentralbank, die zu einem Einbruch bei den Bauinvestitionen führen, was wiederum den sowieso schon stark belasteten Wohnungsmarkt weiter unter Druck setzt.
### Aber auch bestehende Baufinanzierungen bedrohen Menschen wegen der hohen Zinsen in ihrer wirtschaftlichen Existenz.
>>> Die hohen Energiepreise, verursacht durch den Ukrainekrieg, sind ein Angebots- und Nachfrageschock. Das wirkte sich wegen der Unsicherheiten negativ auf Investitionen aus.
>>> Insgesamt führte das zu einer historisch hohen Inflation von 8,7 %.
>>> Die gesamtwirtschaftliche Situation führte zu einer Stagnation bzw. leichten Rezession des Wirtschaftswachstums.
>>> Die Belastung war so groß, dass sich selbst Besserverdienende einschränkten.
>>> Die Kaufkraftsicherung muss einerseits durch entsprechende Tarifverträge, aber auch durch finanzpolitische Maßnahmen sichergestellt werden.
>>> Die ergriffenen staatlichen Maßnahmen waren grundsätzlich richtig, gut und notwendig, weil sie zum richtigen Zeitpunkt kamen. Die Belastung durch die notwendigen staatlichen Kredite können von den Besserverdienenden getragen und auf mehrere Jahre verteilt werden.
>>> Die sozialökologische Transformation muss durch staatliche Hilfen begleitet werden, weil sonst Wettbewerbsnachteile drohen, die Arbeitsplätze kosten können.
Meinungsbild, das sich an einer Veranstaltung der IG Metall mit Prof. Dr. Sebastian Dullien orientiert.
Quelle YouTube – IG Metall Bildung: https://youtu.be/cIFPedb4L28
Quelle YouTube – IG Metall Bildung: https://youtu.be/cIFPedb4L28
Durch den Ukrainekrieg sind die Energiepreise deutlich gestiegen. Hohe Energiepreise wirken wie ein Angebots- und Nachfrageschock gleichermaßen. Angebote werden eingeschränkt und die Nachfrage lässt nach, weil die Preise hoch sind und gespart werden muss. Das führt zu Unsicherheiten und Unsicherheiten bremsen Investitionen.
Hinzu kamen Exporteinschränkungen nach Russland sowie Lieferkettenprobleme von Produkten, die auch aus der Ukraine kamen. Alles zusammen ergibt einen hohen Preisdruck mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Inflation und ein geringeres Wirtschaftswachstum, weil weniger produziert wird. Die Inflation stieg auf ein 50 bis 70 Jahreshoch. Dadurch, dass der Warenkorb, der der Inflation zugrunde lag, neu berechnet wurde, sank die Inflationsrate etwas ab.
Die Energiekosten waren der Haupttreiber der Inflation. Aber auch die Nahrungsmittelpreise steigen sehr deutlich, Produkte, auf die nicht verzichtet werden kann. Allerdings ist die Spitze der Inflation überschritten und es ist mit einem Sinken der Inflationsrate zu rechnen. Für 2023 ist mit einem Mittelwert von ca. 5 % zu rechnen.
Einer der Haupttreiber der Inflation war der Gaspreis. Die Preiserhöhung stieg mit Verzögerung aufgrund der Vertragsbindung an. Den Haushalten drohte eine Belastung, die sie überforderte. Deshalb wurde die Gaspreisbremse eingeführt. Inzwischen hat sich die Lage etwas entspannt. Gas ist zwar noch teuer, aber es steigt nicht mehr an. Die Preise vieler Lebensmittel sind über die Inflationsrate von 8,7 % hinaus gestiegen. Das betraf hauptsächlich Lebensmittel, die zur Herstellung Energie, Weizen oder Öl brauchen.
Die Inflation belastet die Haushalte unterschiedlich. Der Inflationsberechnung zugrunde liegende Warenkorb unterscheidet sich zwischen den Haushaltstypen. Kleinere und mittlere Einkommen geben einen höheren Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel und Haushaltsenergie aus.
Bei einem Verbraucherpreisindex für alle Haushalte von 8,7 % bedeutet das für einen Haushalt bestehend aus einem Paar mit zwei Kindern und einem Einkommen (netto) von 2.000,00 bis 2.500,00 Euro 10 % Inflation. Auch bei Alleinlebenden mit kleinem Einkommen beträgt die Inflation noch 10 % wohingegen gut verdienende Alleinstehende nur eine Inflation von 7,4 % haben. Hieraus erwachsen soziale Probleme. Geringverdienende Menschen sind von der Inflation besonders belastet.
Die Konjunkturaussichten haben sich gebessert. Im Herbst 2022 rechnete man mit einer Rezession für den Winter. Im Frühjahr 2023 wir jedoch nur noch mit einer leichten Rezession oder Stagnation gerechnet.
Diese Veränderung trat ein, weil die Bundesregierung Entlastungspakete beschlossen hat (z. B. Gas- und Strompreisbremse). Das stützt die Kaufkraft. Außerdem sind die Energiekosten stark gefallen. Dennoch ist die Wirtschaft geschrumpft, was mit der sinkenden Konsumgüternachfrage zu tun hat.
Die Belastung war so groß, dass selbst Besserverdienende den Konsum an anderer Stelle ein geschränkt haben. Die Einschränkungen betrafen nicht allein Haushalte mit geringem Einkommen.
Die Tarifpolitik kann das Problem alleine nicht lösen. Auch die Arbeitgeber waren hoch belastet. Tarifpolitik und Finanzpolitik müssen dafür sorgen, dass die Kaufkraft in der Breite stabilisiert werden. Es bestand die Gefahr einer Preis-Lohn-Spirale, auf die die EZB mit starken Zinserhöhungen hätte reagieren müssen.
Die Kaufkraftsicherung musste einerseits durch die Tarifpolitik sichergestellt werden, aber auch durch die Finanzpolitik. Die Maßnahmen der Finanzpolitik waren zwar undurchsichtig, aber dennoch umfangreich. Zentral halfen die Gaspreisbremsen und Strompreisbremsen. Die kalte Progression wurde ausgeglichen. Das Bürgergeld hat die Bezüge der Grundsicherungsempfänger erhöht. Außerdem gibt es das Instrument der Inflationsausgleichszahlung, die bis zu 3.000,00 Euro steuer- und abgabenfrei ist. Das hat den Effekt, dass die Kaufkraft gestützt wird und die Kosten hierfür nicht zu sehr steigen.
Diese Maßnahmen decken jedoch nicht alle Belastungen ab. Bei den Löhnen muss in den nächsten Jahren noch etwas nachgeholt werden müssen, um die Kaufkraft zurückzuholen. Die Preise sind hoch und steigen weiter. Die Lohnerhöhungen sind im Vergleich zu den steigenden Preisen zurückgeblieben. Die Kaufkraftlücke für das Jahr 2023 wird erheblich sein. Im Jahr 2022 hat die Regierung diese Kaufkraftlücke ausgeglichen.
Für ärmere Haushalte ist die Kaufkraftlücke noch größer als im Durchschnitt. Die Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro erhöht die Kaufkraft stärker als eine klassische Lohnerhöhung, weil die Kosten für den Arbeitgeber gering sind. Die Arbeitgeber sparen den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung. Außerdem ist diese Zahlung für den Arbeitnehmer eine Nettozahlung ohne Steuern und Abgaben.
Viele Maßnahmen der Bundesregierung erfolgten nur, weil die Gewerkschaften entsprechenden Druck aufgebaut haben. Es bleibt allerdings noch eine Reihe von Risiken, unter anderem, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen zu stark erhöht. Die Tarifpolitik wird leider noch einige Zeit brauchen, um die gesamtwirtschaftlichen Kaufkraftverluste auszugleichen, weil das Niveau der Preise hoch bleiben wird.
Die Reaktion von Finanz- und Tarifpolitik haben allerdings zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland beigetragen.
Entlastende finanzpolitische Maßnahmen waren…
- der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer wurde erhöht.
- der Arbeitnehmerpauschbetrag wurde erhöht.
- die Pendlerpauschale wurde erhöht.
- es gab einen Kinderbonus.
- die Energiepreispauschale wurde im September ausgezahlt.
Viele Entlastungen wurden von den Bürgern nicht wahrgenommen. Teilweise waren die Entlastungen sehr komplex und wenig vermittelbar.
Neben den Finanzpolitischen Maßnahmen ist eine gute Tarifpolitik entscheidend und die Menschen sind stärker als sonst bereit, sich an den Tarifauseinandersetzungen zu beteiligen. Insbesondere die Tarifrunde von Verdi ist wichtig, weil dort viele Menschen beschäftigt sind.
Es gibt Branchen, die schlecht verdienen und dort ist der Inflationsdruck sehr hoch. Wenn ein gut bezahlter Facharbeiter für einen überschaubaren Zeitraum sich auf Reallohnverlust einstellen kann, ist das möglich. Wenn eine Person in niedrigeren Einkommensgruppen dazu gezwungen wird, wird das schnell existenzbedrohend, weil keine Sparreserven vorhanden sind.
Während Einsparungen im Konsumbereich einfach möglich sind, ist Sparen beim Wohnen kaum möglich. Durch die hohe Zinsentwicklung wird sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt noch verschärfen. Auch eine Mietpreisbremse hilft nichts bei einem Wohnungswechsel, weil die notwendigen Wohnungen schlicht nicht vorhanden sind.
Es gibt in Deutschland einen Wohnungsmangel. Durch die Zinssteigerung wird es weniger Menschen geben, die ein Haus bauen können. Der Wohnungsbau ist im freien Fall. Auch hier muss der Staat mit stärkerem Engagement im sozialen Wohnungsbau eingreifen sowie durch eine zinsgünstige Finanzierung durch die KfW-Bank.
Die staatlichen Entlastungsmaßnahmen waren im vergangenen Jahr sozial sehr zielgenau. Familien mit geringen und mittleren Einkommen wurden stärker entlastet als die Gutverdienenden.
Es gibt Unternehmen, die sehr gute Gewinne gemacht haben und davon wenig abgeben mussten. Jedoch sind die Gewinne in der Summe nicht stark gestiegen. Die Situation ist komplex und nicht schwarz-weiß, weil durch die Coronakrise viele Unternehmen im Dienstleistungsbereich auch Verluste machten. Die Übergewinne hätten jedoch stärker abgeschöpft werden können.
Durch eine fehlende Tarifbindung kommt in vielen Betrieben die Inflationsausgleichsprämie nicht an. Es ist richtig, die Hilfsmaßnahmen durch die Steuer zu finanzieren. Gerade am oberen Ende der Steuertabelle ist noch Luft, aber auch dann sind die Maßnahmen richtig, wenn sich alle an der Finanzierung beteiligen. Durch die starke Gaspreiserhöhung haben viele Haushalte existenzielle Problem, die durch die Gaspreisbremse abgemildert wurden. Wichtig war es jetzt eine Entlastung zu bekommen. Weniger schwierig ist es, in den Folgejahren durch moderat höhere Steuern das Entlastungspaket zurückzuzahlen. Es ist auch zu überlegen, ob die Staatshilfe überhaupt zurückgezahlt werden muss. Grundsätzlich sollten jedoch die finanziell Stärkeren mehr belastet werden.
Problematisch wird es jedoch, wenn die 3.000 Euro Inflationsausgleichsprämie auch für Teilzeitkräfte im vollen Umfang gezahlt werden. Die Arbeitgeber wären dann nicht mehr bereit, soviel Teilzeitarbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, da die Inflationsausgleichsprämie kein staatliches Geld ist, sondern Geld der Arbeitgeber.
Eine Entlastung der Energiestrompreise für den Industriekunden insbesondere bei den Hochöfen ist im europäischen Vergleich nicht hoch genug. Andere europäische Länder entlasten stärker. Selbst mit den Entlastungspaketen gibt es einen Standortnachteil.
In der ökologischen Transformation bis 2045 soll CO2 neutraler Stahl hergestellt werden. Damit steigt der Energiebedarf nach Wasserstoff. Elektrolyse braucht mehr Strom. Bei diesen Energiepreisen wird auf Arbeitgeberseite die Standortfrage diskutiert. Können noch alle Hochöfen transformiert werden? Kann der Standort bei den aktuellen Energiepreisen noch gehalten werden? Ohne staatliche Hilfe ist die Transformation nicht leistbar.
In der Transformation wird es auch erforderlich sein, die Arbeitnehmer für die neuen Anlagen entsprechend zu qualifizieren. Es ist neben einem Transformationsplan auch erforderlich, den Mitarbeitern die Arbeitsplatzsicherheit zu gewährleisten. Mit einer so spezialisierten Ausbildung ist ein Arbeitsplatzwechsel kaum noch ohne Wohnortwechsel möglich. Steuergelder für die Transformation müssen einhergehen mit einer Beschäftigungsgarantie der Mitarbeiter.
Bei der sozialökologischen Transformation muss der Staat sich bei der Infrastrukturbeteiligen beispielsweise beim Ausbau der Wasserstoffversorgung. Der Staat muss das Aufbaurisiko tragen. In den USA wird die Umstellung zu Wasserstoff massiv subventioniert. Das stellt für die hiesige Stahlbranche ein Problem dar, weil es in den USA beinahe zum Nulltarif grünen Wasserstoff geben wird. Das führt zu massiven Wettbewerbsnachteilen.
Es müssen durch Regulierungen industriepolitische Anreize gegeben werden. Beispielsweise in dem nur noch Autos zugelassen werden, mit grün hergestelltem Stahl. Das schafft einen Markt.
Die CO2-Bepreisung führt bei den geringverdienenden Haushalten zu einer höheren Belastung, die ausgeglichen werden muss. Geringverdienende Menschen sind auch beim Energieverbrauch benachteiligt, weil sie in schlecht isolierten Wohnungen wohnen und durch die schlechte Wohnungsmarktlage nicht umziehen können. Auch hier ist staatliche Hilfe notwendig.
Quelle YouTube – IG Metall Bildung: https://youtu.be/cIFPedb4L28
